Rückblick auf eine (fast) 200-jährige Klostergeschichte
Infolge eines Kaiserlichen Dekretes wurde die Borkener Niederlassung der Kapuziner am 14. November 1811 aufgelöst, nachdem die Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts an ihr vorübergegangen war und ihr noch acht Jahre des Weiterbestehens vergönnt blieben.
Im Januar 1812 hielten die Patres ihre letzte Predigt, jedoch nicht ohne zuvor – teils heimlich, teils mit Erlaubnis der französischen Behörden – einen Teil des Inventars verkauft zu haben. „Sie schnitten ihre Bärte ab und zogen weltliche Kleidung an“, vermerkte damals ein unbekannter Chronist.
Nach vergeblichen Versuchen seitens der Stadt wurde im Juli 1812 die Kapuzinerkirche – die heutige Johanneskirche – geschlossen. Damit fand eine fast 200-jährige Klostergeschichte, die während des Dreißigjährigen Krieges begonnen hatte, ihr Ende.
Aus der Arbeit von Volksmissionaren
Dass die Kapuziner 1629 nach Borken kamen und hier volksmissionarisch tätig wurden, ge schah im Auftrag des damaligen Landesherrn, Fürstbischof Ferdinand I. von Bayern (1612-1650). Sie folgten den Jesuiten, die schon 1624 in Borken eingetroffen waren und sich „erfolgreich“ bemüht hatten, die Einwohner im katholischen Glauben zu festigen. Mit deren Standfestigkeit war es seinerzeit nicht zum Besten bestellt, wie die Ergebnisse von Visitationen und die ablehnende Haltung gegenüber Plänen des Landesherrn, katholische Truppen in Borken einzuquartieren, in einer aus der Sicht des Bischofs dramatischen Weise gezeigt hatten. Die Jesuiten konnten schon im gleichen Jahr in ihrem Bericht an die Ordensleistung die Rückkehr von 117 Personen zum alten Glauben vorweisen. Gleichzeitig aber verließen 70 z.T. begüterte Familien die Stadt, was der Bericht allerdings verschwieg.
Dass die Kapuziner die Stadt schon wenige Jahre nach ihrer Ankunft wieder verließen, ist auf Ereignisse während des Dreißigjährigen Krieges zurückzuführen, denen sich auch Borken nicht entziehen konnte. Hessische Truppen nämlich hatten die Stadt besetzt und machten ein Verbleiben der Mönche unmöglich. Erst im Jahr nach dem Friedensschluss von 1648 kehrten sie zurück und setzten ihre Arbeit mit umso größerem Eifer fort, diesmal im Sinne einer intensiven Gegenreformation, die Christoph Bernhard von Galen während seiner Zeit als Fürstbischof (1650 bis 1678) im Bistum Münster betrieb.
Kapuziner in Borken
Barocke Pracht für Auge und Herz
Dank der materiellen und finanziellen Unterstützung von Seiten der Stadtväter, die sich dafür anfangs gern aus den Geldern der Armenstiftung bedienten, und anderer Förderer gelang es den Mönchen, in Borken Fuß zu fassen. Bis sie die verfallene Kommende der Johanniter käuflich erwerben, wiederherrichten und Klosterleben sowie Seelsorge beginnen lassen konnten, vergingen einige Jahre. Doch das Warten lohnte sich letzten Endes und zahlte sich vor allem für die von langen Kriegsjahren zermürbte Bevölkerung aus. In Gottesdiensten, Andachten, Predigten – obendrein waren die Mönche beliebte Beichtväter – suchten und fanden die Menschen aus Stadt und Kirchspiel seelischen Trost. Sie bedankten sich dafür auf ihre Weise, wenn die Mönche unterwegs waren und zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes um Almosen baten.
Nachdem sie sich einige Jahrzehnte mit der restaurierten Kirche der Johanniter begnügt hatten, errichteten die Kapuziner 1696 eine neue Kirche, in der sich in bescheidenem Umfang barocke Pracht entfaltete. Eine mächtige Altarwand, von der Einzelteile den rigiden Umbau am Ende des 19. Jahrhunderts überstanden und heute in einem neuen Altar ihren Platz gefunden haben, war der Blickfang für alle Gottesdienstbesucher.
Das Kapuzinerkloster entwickelte sich im Laufe von zu einem festen Bestandteil der Stadt. Dass es einschließlich der Kirche letztlich mehr als 150 Jahre in Borken bestand hatte, spricht für die große Sympathie, die man seinen Bewohnern, zu denen im 18. Jahrhundert auch zahlreiche Novizen gehörten, allgemein entgegenbrachte. Dass es im Jahr 1812 endgültig aufgelöst wurde und in das Eigentum des Kaiserreichs Frankreich überging, ist die späte Folge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803, der neben der Säkularisierung der geistlichen Fürstentümer auch die Enteignung von Klöstern einschloss.
Barocke Pracht
Erhaltung und neue Nutzung der Kirche
Nach dem Auszug der Mönche erlosch das geistliche Leben im gesamten Kloster. Kirche wie auch der Wohntrakt wurden für weltliche Zwecke genutzt, als Lazarett und Landwehrzeughaus. Erst allmählich gelang es, den Preußen als den neuen Eigentümern, Gebäudeteile abzuringen, der Stadt für die Einrichtung von Schulräumen und der Kirchengemeinde St. Remigius für die Feier von Gottesdiensten in der ehemaligen Klosterkirche. Um Letzteres (wieder) Wirklichkeit werden zu lassen, bedurfte es der Gründung eines „Pfennigvereins“, da der preußische Staat die Kirche nicht unentgeltlich abtreten wollte. In wider Erwarten kurzer Zeit erbrachte die kleinen und großen Spendenbeiträge die Kaufsumme in Höhe von 5.026 Talern, 8 Silbergroschen und 3 Pfennigen. Seitdem ist die „Kleine Kärke“, wie die ehemalige Klosterkirche im Volksmund noch gern genannt wird, für die Seelsorge unentbehrlich geworden.
Rudolf Koormann, Heimatverein Borken/2012
Die ehemalige Klosterkirche