Osterfest in der Nachkriegszeit
Erinnerungen eines alten Borkeners an seine Kindheit
Erinnerungen eines alten Borkeners an seine Kindheit
Mit das Erste, woran ich mich überhaupt erinnere, das war Ostern 1945, ich war 3 Jahre alt. Wir waren in Raesfeld auf dem Bauernhof bei Tante Katharina untergekommen, denn man hatte uns vor den Bomben der heranrückenden englischen und amerikanischen Soldaten gewarnt. Ob die Alliierten schon einmarschiert waren, oder ob sie noch kommen würden, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß aber, dass ich Ostereier gesucht habe.
Die Propsteikirche St. Remigius war seit der Bombardierung Borkens am Karfreitag 1945 eine Ruine. Aber mit viel Einsatz der Bevölkerung konnte sie wieder aufgebaut werden. Ostern 1950 wurde zum erstenmal nach dem Krieg wieder Gottesdienst in der alten Pfarrkirche gefeiert.
Wenn ich so richtig überlege, gibt es für mich zwei Osterzeiten, die mit dem Osterhasen und die Zeit nach dem Osterhasen. Das heißt aber nicht, dass der Osterhase für mich wichtiger war, als das christliche Osterfest, an dem man die Auferstehung von Jesus feiert. Wie gern habe ich und singe sie heute noch, die alten Osterlieder, wie „Das Grab ist leer, der Held erwacht, Alleluja, lasst uns singen, denn die Freudenzeit ist nah“. Die Messdiener schwangen die Weihrauchfässer. Die Kirche war proppenvoll. Das alles führte dazu, dass manche empfindliche Dame in Ohnmacht fiel und vom Kirchenschweizer an die frische Luft gebracht werden musste.
Zu welcher Uhrzeit unsere Familie die Ostermesse besuchte, erinnere ich nicht mehr. Jedenfalls war es wohl ziemlich früh, denn es musste anschließend noch gefrühstückt werden. Dazu gab es ein ganzes weich gekochtes Ei, während es normalerweise nur ein halbes gab.
Nach dem Frühstück kam der Osterhase zum Dülmener Weg. Er versteckte bunte hartgekochte Eier: bei schönem Wetter im Garten, bei schlechtem Wetter in den Räumen des Getränkebetriebes meines Vaters. Schokoladeneier und Schokoladen-Osterhasen gab es damals noch nicht, jedenfalls nicht bei uns.
Nach dem Frühstück ging ich in die Nachbarschaft zum Eierrollen. Dazu nahm ich zwei bunte Eier mit. Eine alte Dachpfanne wurde an einen Lindenbaum gestellt. Darauf ließ man die Eier auf den Sandweg kollern. Bei der ersten Partie wurde die Reihenfolge ausgezählt. Das ging so: „Inne minne muh, wat stinks du, dat doh ik noch lange nich, dat döhs du!“. Bei den nächsten Partien verschob sich die Reihenfolge, damit jeder mal als letzter dran war. Der Letzte hatte ja die größte Chance, die meistens Eier anzutitschen. Wer angetitscht wurde, musste einen Pfennig an den Antitscher zahlen.
Wenn ein Ei nicht mehr rollfähig war, wurde es einfachheitshalber aufgegessen. Das knirschte dann wegen des Sandes zwischen den Zähnen. Wir gingen auch auf Bußkönnings Wiese zum Eierwerfen. Da habe ich aber lieber zugeguckt, da dort schon mal Eier verschwanden.
Am Ostermontag machten wir nachmittags einen Osterspaziergang. Vater sagte: Lasst uns doch mal schauen,, ob der Osterhase im Wald ein paar Eier verloren hat. Da gingen wir sehr gern mit und hatten dann irgendwann raus, dass man die Eier da suchen musste, wo Vater kurz vorher gewesen war.
Damit mein Vater nicht enttäuscht war, habe ich noch lange so getan, als würde ich an den Osterhase glauben.
Wenn ich mir überlege, dass die Kinder im Kindergarten schon nicht mehr an den Osterhasen glauben, dass die hartgekochten bunten Eier hauptsächlich zur Dekoration des Osternestes dienen, die Kinderüberraschungseier, Schokoladeneier und Schokoladenhasen mit und ohne Glöckchen in gold oder Lila den Erfolg des Osterfestes ausmachen, dann denke ich, was nützt mir der ganze Kram, wenn ich damit nicht Eierrollen kann.
Heinz Eming (2021)
Beim „Eierrollen“ 1949 (Foto: Eming)