Zusammenhalt in Freud und Leid – gute Nachbarschaft
„En gudden Nöber is sävven mol bätter as wiede Frende“ – wie wertvoll gute Nachbarschaft ist, wussten unsere Vorfahren und schätzten deshalb das gedeihliche Miteinander im unmittelbaren Wohn- und Lebensbereich.
Doch kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es nicht Regeln gibt, die dazu beitragen, die gute Nachbarschaft zu fördern und klarzustellen, was Rechte und Pflichten der Nachbarn sind.
Zum offenen Nachmittag am ersten Dienstag im Juni präsentierte der Heimatverein Borken zwei Kostbarkeiten aus dem Depot: die Nachbarschaftsbücher der Walienstraße und der Mühlenstraße.
Das Buch der Walienstraße gibt Auskunft über die Ereignisse in den Jahren 1863 – 1943. Das Buch der Johannis-Nachbarschaft Mühlenstraße informiert über die Zeit von 1790 bis 1865. Nur mit weißen Handschuhen und behutsam konnten diese beiden erstaunlich gut erhaltenen Bücher eingesehen werden.
Bei der Lektüre gab es erstaunliche Entdeckungen. So durften Frauen schon 1798 am Johannistag teilnehmen, und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde den Frauen ein Mitspracherecht in Angelegenheiten der Nachbarschaft eingeräumt.
Die Nachbarschaftskasse ließ sich durch den Paragraphen, wonach noch kinderlose Nachbarn und solche, bei denen keine Aussicht auf Nachwuchs bestand, alle zwei Jahre 20 Silbergroschen zu zahlen hatten, leicht auffüllen.
Ursula Brebaum hat in einem Artikel im Kreisjahrbuch 2003 bereits über das Nachbarschaftsrecht in der Johannis-Nachbarschaft berichtet.
Die Mühlenstraße lag doch direkt an der Remigius-Kirche, warum wurde sie Johannis-Nachbarschaft genannt? Darüber diskutierten die Gäste des offenen Nachmittags ebenso lebhaft wie über die Frage, welchen Sinn die Nachbarschaften heute noch haben. Einige Teilnehmer wußten aus noch existierenden Nachbarschaften zu berichten. Es sei nicht einfach, neu Zugezogene für die Idee der Nachbarschaft zu begeistern.
Der Heimatverein will sich des Themas wieder annehmen und herausfinden, welche Nachbarschaften es in Borken noch gibt und wie sie heute funktionieren.
In Freud und Leid sollen Nachbarn zusammenhalten, so steht es in den Satzungen, die das Gemeinschaftsleben früher regelten. Ob Taufe, Hochzeit oder Tod – für viele Lebenssituationen gab es spezielle Paragraphen und säumige Nachbarn wurden auch schon mal aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.
Viele Dienste, die sich Nachbarn früher gegenseitig leisteten, sind heute professionalisiert. Wie kann Nachbarschaft da noch Sinn machen? Die Teilnehmer waren sich einig, dass gerade heute eine gute Nachbarschaft wichtig sei und nannten Beispiele, wie wichtig Hilfe und das Sich-Kümmern um den Nächsten in einer Zeit der Vereinsamung und Inidividualisierung sein kann.
Miteinander in einer Straße in Frieden und Harmonie zu leben, gute gesellige Beziehungen zu pflegen und anzupacken, wenn ein Nachbar in Not ist – das ist heute so aktuell wie vor zweihundert Jahren.
A. Berg
Das unscheinbare Äußere.
Die Titelseite von 1790.
Ein Blick auf das Jahr 1837.