Im Spätsommer des Jahres 1890 gründete sich in Borken ein Altertumsverein, dessen Mitglieder es sich zur Aufgabe machten, durch Grabungen, Schenkungen und Ankäufe „Altertümer“ aller Art zu erwerben und vor Ort zu halten.
Altertümer waren Zeugnisse der Vor- und Frühgeschichte, welche die aktivsten Mitglieder des neuen Vereins bereits gefunden und in bescheidenem Rahmen ausgestellt hatten und in Zukunft weiter suchen wollten. Als Altertümer galten aber auch Kunstgegenstände sowie unterschiedlichste Gebrauchsgegenstände, nach denen vermehrt berufsmäßige Altertumshändler Ausschau hielten.
Die durch die Aktivitäten der Vereinsmitglieder entstehende Sammlung sollte in ein Museum einfließen und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Darüber hinaus trafen sich die Mitglieder, deren Zahl anfangs rasch anwuchs, vier Mal im Jahr zu einer sogenannten Generalversammlung. Damit verbunden war jeweils ein mehr oder weniger wissenschaftlicher Vortrag; den Mitgliedern ging es also auch um die eigene geistige Bildung.
So eifrig die 36 Gründungsmitglieder ans Werk gingen, Altertümer zu suchen und zu sammeln, so sehr sich ihre Zahl erhöhte – 70 zu den besten Zeiten –, so schnell erlahmte ihr Engagement schon während der ersten zehn Jahre. Ein Vorgang, der im öffentlichen Erscheinungsbild deutlich spürbar war, so dass der ansonsten äußerst wohlmeinende Begleiter der Arbeit, das Borkener Wochenblatt, schon 1899 die Frage stellte, ob der Altertumsverein „eingeschlafen“ sei.
Ein Grund für die beschriebene Entwicklung mag in der Exklusivität des Vereins gelegen haben, in dem nur Mitglied werden konnte, wer ein allgemeines geistiges Interesse bekundete und gesunde finanzielle Verhältnisse vorweisen konnte. Radsportvereine und der florierende Ziegenzuchtverein z.B. zogen wesentlich mehr Interessenten an.
Möglicherweise fehlte auch – über die erschienenen Zeitungsberichte hinaus – eine breitere öffentliche Darstellung der Arbeit, wie sie der 1899 gegründete Ramsdorfer Altertumsverein von 1906 an mit seinen „Beiträgen zur Heimatkunde des Kreises Borken“ zwölf Jahre lang intensiv betrieb.
Vielleicht hatte aber Dr. Emil Kubisch Recht, der 1952 schrieb, in Borken habe man um 1890 „von einem geistigen Leben“ kaum reden können, und daran habe auch „die Gründung des Altertumsvereins für Borken und Umgebung“ nicht viel geändert.
Oder war es eben doch „das gewöhnliche Borkener Uebel“, von dem das Borkener Wochenblatt seinerzeit auch geschrieben hatte, ein „Wechselfieber“, das durch „Blasiertheit, Ueberdruß an dem Bestehenden und Haschen nach Neuem“ entstehe?
Zum gänzlichen Erliegen der Vereinsarbeit wäre es vermutlich gekommen, wenn nicht einige Protagonisten, deren oberstes Ziel es war, das schon 1890 anvisierte „Altertumsmuseum“ doch noch einrichten zu können, den Verein und seine Aufgaben „am Leben gehalten“ hätten. Zu ihnen gehörten der seit 1900 amtierende Vorsitzende Dr. Wilhelm Conrads und sein Stellvertreter Joseph Brinkman mit seinem reichen literarischen Schaffen.
Im Jahr 1908 gelang es schließlich, den mittelalterlichen Festungsturm am Papendiek, im Volksmund „Künstlers Turm“ genannt, der zuvor seitens der Stadt mit finanzieller Unterstützung von Staat, Provinz und Kreis restauriert, um einen Treppenturm erweitert und mit einem Kegeldach versehen worden war, als „Altertumsmuseum“ einzurichten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Der Weg dahin, der gleichsam die „Kinderjahre“ des heutigen Borkener Heimatvereins markiert, war wechselvoll und dauerte 18 Jahre. Dass der Erste Weltkrieg und die nachfolgenden Jahre die Vereinsarbeit dann doch zum Erliegen bringen und den Verein in Vergessenheit geraten ließen, ahnte im Jahr 1908 wahrlich niemand.
Es bedurfte des Drucks durch die anstehende Siebenhundertjahrfeier während der frühen 1920er Jahre. In Borken scheute man wegen der wirtschaftlich schlechten Zeit die Ausgaben für Feierlichkeiten: deshalb schob man das Jubiläum mangels einer Stadterhebungsurkunde sowie einer konkreten Jahreszahl in das letztmögliche Jahr 1926. 700 Jahre zuvor war nämlich Münsters Bischof Dietrich III. von Isenburg gestorben.
Bereits im Jahr 1925 fanden sich verbliebene und neue Mitglieder des Vereins zu einer Neubelebung des Vereinslebens zusammen, um für das Jubiläumsjahr eine große Heimatausstellung vorzubereiten. Deren Gelingen gab schließlich den Anstoß, vier Jahre später (1929) in der ehemaligen Johanniterkommende ein Heimatmuseum einzurichten.
Damit war das Ziel des 1890 gegründeten Altertumsvereins, der fortan den Namen „Heimat- und Altertumsverein“ trug, nach fast vierzig Jahren erreicht.
Rudolf Koormann, Heimatverein Borken
Gustav Mettin, Bürgermeister der Stadt Borken von 1876 bis 1912, erster Vorsitzender des Altertumsvereins
Ihm folgte 1901 im Amt des Vorsitzenden Dr. Wilhelm Conrads, praktischer Arzt in Borken.
Das 1908 eröffnete Altertumsmuseum in „Künstlers Turm“. Foto: Sammlung Ewald Grewing
Die ehemalige Johanniterkommende (Bildmitte) an der Heilig-Geist-Straße, 1929 als Heimatmuseum eingerichtet, 1945 zerstört. Foto: Sammlung Ewald Grewing