Anfänge und Blütezeit
Das „Sanct Johannis Ordenshaus binnen Borken“, wie frühe Urkunden die Johanniterkommende in Borken gern bezeichneten, entstand aus einer bereits um 1200 errichteten Kapelle und der sie umgebenden „area“, im Geviert von heutiger Mönkenstiege sowie Remigius-, Kapuziner- und Johanniterstraße. In einer 1263 verfassten Urkunde bestätigten die Brüder Gerardus und Bernardus von Lohn vor zahlreichen Zeugen einen Kaufvertrag, der Bernardus zum alleinigen Eigentümer machte.
Bernardus, der den Beinamen Werenzo trug und als Ritter Mitglied der Kommende in Steinfurt war, schenkte Gotteshaus und Grundstück seinem Orden, der darin eine Niederlassung einrichtete. Zugleich stattete er die neue Kommende mit einem Fischteich außerhalb der Stadt aus sowie mit dem Hof eines gewissen Goswin in den Oestricker Bergen östlich von Heiden. Damit war die Basis für die Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz geschaffen, aber auch gewährleistet, dass sie darüber hinaus zum Unterhalt der Ordenszentrale und ihrer Aufgaben beitragen konnte.
In den darauf folgenden Jahren verstanden es die Ordensleute, deren Zahl zwischen sieben (1341) und drei (1495) schwankte, den Umfang ihrer Ländereien und die Zahl ihrer „eigenhörigen“ Höfe zu vergrößern; in diesem Bestreben standen sie weltlichen Grundherren nicht nach. Nicht unbeträchtlich war schließlich der Grund und Boden, der in Verbindung mit Messintentionen, also Spenden bzw. Stiftungen für Messfeiern mit einem besonderen Anliegen, in das Eigentum der Kommende überging.
Folglich gehörte es zu den Pflichten der Ordensbrüder, im Namen der Stifter Messen zu lesen, zu deren eigenem Seelenheil oder dem ihrer verstorbenen Angehörigen. Weitere Aufgaben der in Borken tätigen Priester und Laienbrüder bestanden darin, Reisende zu beherbergen, Almosen an Arme auszuteilen und Kranke zu pflegen.
Für die Pächter der zahlreichen Parzellen wie auch für die Besitzer der 20 ordenseigenen Höfe war die Kommende in Borken der Verwaltungsmittelpunkt, an dem die jährlich fälligen Pachtzahlungen zusammenkamen, vorwiegend Naturalien, die nach den ortsüblichen Preisen in Geld umgesetzt wurden.
Fortbestand in neuem Domizil
Schon im frühen 16. Jh. zeichnete sich ab, dass die Blütezeit des Ordens ihren Höhepunkt überschritten hatte: Auswirkungen der Reformation und der veränderten Aufgabenstellung für die Mitglieder. In der Folgezeit dienten die noch bestehenden Kommenden in erster Linie dazu, nachgeborene Söhne des Adels mit dem Amt eines Komturs und den damit verbundenen Einkünften zu versorgen.
Die Borkener Kommende blieb von dieser Entwicklung nicht unberührt. Vermutlich bereits vor 1600 verließen die letzten Konventualen die Stadt, um in der Kommende in Wesel zu leben. Der dortige Komtur war zugleich auch Komtur der Borkener Kommende, die nun als „Membrum“ von Wesel galt und von dort aus verwaltet wurde.
Das leer stehende Ordenshaus in Borken hatte unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden. Kaiserliche Soldaten verwüsteten 1623 das Archiv, und die Hessen, die ihnen für viele Jahre folgten, enteigneten kurzerhand den gesamten Komplex mit Kirche, Wohnhaus und Wirtschaftsgebäuden, gaben ihn aber bald zurück.
Bis zum Ende des Krieges geriet er in einen derart ruinösen Zustand, dass in dem 1662 erstellten Visitationsbericht von einem „Steinhaufen“ die Rede war. Sich seiner zu entledigen – einschließlich der Verpflichtungen zu Armenspeisungen und zum Lesen von Gedächtnismessen – war bald Ziel des Ordens und seines Komturs vor Ort, Johann Jacob von Pallandt.
1655 kauften die Kapuziner die ruinierte Kommende und verschafften den Johannitern mit dem Haus des ehemaligen Bürgermeisters Schweder ein neues Domizil. Geistliches Leben fand dort allerdings nicht mehr statt. Lediglich dann, wenn der Komtur in Borken weilte und seine Amtsgeschäfte erledigte, war ein Hauch der ehemaligen Größe spürbar; dazu zählte sicherlich das Vorrecht, in den Borkener Kirchen an bevorzugter Stelle Platz nehmen zu dürfen.
Die Alltagsarbeit, d.h. die Verwaltung aller Einnahmen und Ausgaben sowie die Verhandlungen mit den Hofbesitzern und Pächtern, überließ der Komtur einem Rentmeister. Dieser pachtete die Kommende, von deren wirtschaftlichem und rechtlichem Zustand sich der Orden durch regelmäßige Visitationen überzeugte, gegen strenge Auflagen sowie die Zahlung einer Geldsumme und nahm dort seine Wohnung.
Urkunde von 1263, Stadtarchiv Borken
(Foto: Reinhard Nießing für den Heimatverein Borken e.V.)
Siegel der Borkener Kommende an einer Urkunde aus dem Jahr 1317
(verkl. Wiedergabe aus: J. H. Nünning, Monumentorum Monasteriensium, Wesel 1747, S. 191)
Scheune des Kommendehauses an der Heilig-Geist-Straße, 1906 abgebrochen und durch ein Wohnhaus ersetzt; das heute als Gaststätte genutzt wird (Bildquelle: Heimatverein Borken e.V.)
Everhard Alerding, Kupferstich mit Ansicht der Stadt Borken (1621), rechte Hälfte. Markante Gebäude von rechts: das Vennetor, der Windmühlenturm, der Kirchturm der Johanniterkommende (Bildquelle: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Kreis Borken, S. 141).