Mein Elternhaus lag in Borken an der Turmstraße direkt neben dem Diebesturm. Wegen der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg wurden wir evakuiert. Wir wohnten beengt in einem kleinen Behelfsheim in der Feldmark an der Grenze zu Marbeck. Wir hatten einen großen Garten, ein Stück Land, Hühner, Gänse und zwei Schweine.
Wie fast alle Menschen in der Stadt oder auf dem Land versorgten wir uns so weit wie möglich selbst. Im Winter wurde das Schwein geschlachtet und zu Würsten, Schinken, Pökelfleisch, Blutkuchen und Panhas verarbeitet. Es wurde alles vom Schwein verwertet. In die gereinigten Därme kamen die Würste, in die Schweinsblase der Schwartemagen. Das Blut wurde für die Zubereitung von Blutwurst und Blutkuchen gebraucht. Die Brühe, in der die Würste gekocht worden waren, wurde für die Panhas-Zubereitung genutzt.
Ein Teil des Fleisches und der Wurst wurde in Gläsern eingemacht, damit es haltbar blieb. Frischfleisch, wie Koteletts, frische Bratwurst und Schweinebraten, gab es nur wenig und nur in den ersten Tagen nach dem Schlachten. Einfrieren gab es damals noch nicht.
Verwandte und gute Nachbarn bekamen einen Potthasten. Das heißt: Sie bekamen etwas vom geschlachteten Schwein mit. Das war ein Bratenstück, Wurst, Blutkuchen und Wurstbrühe für die Panhas-Herstellung. Man bekam von den Nachbarn, wenn diese schlachteten, ja auch einen „Potthasten“. So hatte man immer mal wieder ein frisches Stück Fleisch. Das „Potthasten geben“ hatte also eine, wie man heute sagen würde, soziale Funktion.
Am Schlachttag gab es abends das in Schmalz gebratene Schweinshirn. Das zerkrümelte in der Pfanne. Es wurde auf Schwaottbrot (Pumpernickel) gegessen und war eine Delikatesse.
Mit Wurst und Fleisch ging man nicht riewe um, damit war man sparsam. Panhas und Blutkuchen gab es noch eine lange Zeit jeden Abend. Man konnte es schon nicht mehr sehen und riechen, dann gab es das immer noch. Wir waren aber trotzdem froh und dem Herrgott dankbar, dass wir keinen Hunger leiden mussten wie die Menschen in den großen Städten. Und wenn die Hamsterer aus dem Ruhrgebiet kamen, bekamen diese von meiner Mutter ein Butterbrot mit selbstgemachtem Schmalz. „Dat sitt daor ook noch wall dran. (Das sitzt da auch noch wohl dran.)“, sagte dann meine Mutter.
Blutkuchen und Panhas sind heute eine Delikatesse und man kann es im Münsterland bei allen Fleischereien und in allen Geschäften mit guten Fleischabteilungen kaufen.
Gertrud Huvers
(Quelle: Borkener Kochbuch – „Erlebte Rezepte“. Herausgegeben von Heinz Eming. 4. Aufl. 2015)
Unblutige Eindrücke von einer Hausschlachtung vor fast 70 Jahren in Raesfeld
Hausschlachter Schlottbohm auf dem Hof Nagel (1954)
Fotos (3) mit freundlicher Unterstützung des Gemeinde Raesfeld/Archiv Böckenhoff