Franz Hitze: katholischer Sozialreformer
Ein interessanter Vortrag in der Reihe „Geschichte ist mehr“
Ein interessanter Vortrag in der Reihe „Geschichte ist mehr“
Am 23. März 2022 fand seit langem wieder ein Gim-Vortrag im Präsenzformat statt. Dr. Norbert Fasse, Leiter des Stadtarchiv, stellte den Gast vor: Michael Peters, Verwaltungsleiter an der Akademie Franz Hitze Haus in Münster. Sein Thema war, wie die kleine Zuhörerzahl verriet, von weniger öffentlichem Interesse als erhofft, jedenfalls an diesem Abend.
Peters stellte seinerseits einen Mann vor, der im März 1851, also vor 171 Jahren als Bauernsohn geboren ist und immerhin nicht nur ein katholischer Theologe, sondern auch ein angesehener und engagierter Politiker seiner Zeit war.
Nach dem Besuch des angesehenen Paderborner Gymnasium Theodorianum und des Theologiestudiums in Würzburg wurde Hitze 1878 zum Priester geweiht. Er ging an das vatikanische Instituto Germanico – in Rom und beschäftigte sich mit den sozialen Verhältnissen seiner Zeit, die von starken technischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen geprägt war. Aber auch das stark gespannte Verhältnis der katholischen Kirche zum preußisch, also protestantisch dominierten deutschen Kaiserreich im sogenannten „Kulturkampf“ bestimmte seinen Werdegang mit. Da für ihn keine Pfarrstelle zur Verfügung stand, verlegte er sich auf die Universitätslaufbahn. Nach einer Ehrenpromotion zum Dr. theol. wurde er 1893 der erste Professor für Christliche Gesellschaftslehre in Münster.
Bereits 1877 veröffentlichte Franz Hitze seine erste Schrift über „Die soziale Frage und die Bestrebungen zu ihrer Lösung“, in der er sich – Lassalles Vorschlag folgend – für die Einrichtung von Arbeiter-Produktivgenossenschaften aussprach, wenn auch recht vorsichtig.
Hitze schloss sich der katholischen Zentrumspartei an und war von 1882 bis 1893 sowie von 1898 bis 1912 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. In den Reichstag wurde er 1884-1918 gewählt; 1919/20 war er Mitglied der verfassunggebenden Weimarer Nationalversammlung. Anschließend gehörte er bis zu seinem Tode wieder dem Reichstag an.
Schon bald galt Hitze als „einer der einflussreichsten deutschen parlamentarischen Sozialpolitiker und der sozialpädagogische ‚Altmeister’ der katholischen praktisch-sozialen Arbeit. Reichskanzler Joseph Wirth schätzte den von ihm so bezeichneten ‚edlen Prälaten’ unter den ‚Koryphäen’ der Zentrumspartei als den ‚besten von allen, den bescheidensten, liebenswürdigsten und selbstlosesten’ Mann ein.“ (Art. Franz Hitze in: Wikipedia). „Franz Hitze half mit, die Fundamente des heutigen Sozialversicherungssystems im Bismarckschen Reich zu legen […]. Er gilt als Wegbereiter der Reichsversicherungsordnung und war an der Aushandlung des Weimarer Schulkompromisses beteiligt.“
1921 starb Hitze in Bad Nauheim nach längerer Krankheit. Ein Nachruf in der Reichspost vom 21. Juli 1921 würdigt ihn als herausragenden Politiker:
„Der Verstorbene, einer von den Großen des Zentrums, hat durch seine Tätigkeit wesentlich dazu beigetragen, daß das Deutsche Reich in bezug auf soziale Gesetzgebung in der vordersten Reihe der Staaten steht.“
In den abschließenden Fragen und Anmerkungen der Zuhörer zeigte sich, dass dem Theologen und praktischen Sozialpolitiker Franz Hitze verdientermaßen auch in Borken eine Straße gewidmet worden ist.
Bruno Fritsch
Franz Hitze (1851-1921)
Quelle: Akademie Franz Hitze Haus Münster