Mariele Tempelmann holt gerne ihre Fotoalben heraus, um Erinnerungen an das Borken ihrer Kindheit aufleben zu lassen. Zwischen den Familienfotos finden sich viele Bilder, die zeigen, wie es war, damals in Borken.
Von Markus Schönherr
BORKEN. Erwartungsvoll blicken die Kinder nach links aus dem Foto heraus. Gut möglich, dass gerade der Bäcker mit dem Kuchen anrückte. „Beim Tremsenfest gab es immer Streuselkuchen und Bienenstich“, sagt Mariele Tempelmann, geborene Sprick, die auf dem Schwarz-weiß-Bild als elfjähriges Mädchen zu sehen ist. 70 Jahre ist das her. Mariele Tempelmanns Erinnerungen an das Borken ihrer Kindheit leben auf, wenn sie eines ihrer Fotoalben aufschlägt. Zwischen den Familienfotos finden sich viele Bilder, die zeigen, wie es war, damals in Borken.
Die lange Tafel, an der die elfjährige Mariele zum Tremsenfest 1943 Platz nahm, stand an der Walienstraße. „Tassen, Teller und Stühle mussten wir mitbringen“, sagt die 81-Jährige. Einige Tage vor dem Fest liefen die Mädchen und Jungen mit Sammelbüchsen herum, um Ein-Pfennig-Spenden zu sammeln, mit denen der Kuchen bezahlt wurde. Immer am 1. Mai wurde das Fest für die Kinder organisiert. Die Singspiele, die der Heimatverein heute noch zum Tremsenfest auf dem Marktplatz organisiert, wurden damals aber bei einer anderen Gelegenheit gemacht: beim Maibaumsingen.
Die Fotos in Mariele Tempelmanns Alben zeugen auch von einem finsteren Kapitel der Geschichte. Ein Schwarz-weiß-Bild aus dem Jahr 1937 zeigt eine Gruppe von Kindern, die mit Hakenkreuzfahnen durch die Stadt laufen. „Das war ein Sommerfest des katholischen Kindergartens“, erinnert sich Mariele Tempelmann. „Es musste Werbung für die Nazis gemacht werden.“ Den Kindern auf dem Foto ist anzusehen, dass sie keine Ahnung haben, was die Hakenkreuze bedeuten. Sie halten die Fahnen hoch wie Luftballons. […]
Beim Durchblättern der Alben taucht immer wieder der Borkener Stadtpark auf, der für Mariele Tempelmann bis heute der Lunapark geblieben ist. Auf den ganz alten Lunapark-Bildern ist sie selbst als Kind zu sehen. Später posierten auch ihr Mann und ihre beiden Kinder im Lunapark auf dem dicken Stein und auf der Kanone, die heute vor dem Diebesturm steht. Das Freibad im Lunapark, das alte Krankenhaus, die Mühle – zu allem kann Mariele Tempelmann in ihrer fröhlichen Art Geschichten erzählen. Und wenn sie ein altes Kindergarten-Foto vor sich hat, fallen ihr die Namen fast aller Spielkameraden von damals ein. Nur gut, dass die bereits verschüttet geglaubten Fotoalben nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem zerbombten Haus der Familie Sprick gerettet wurden.
Borkener Zeitung, 1. März 2014
Mariele Tempelmann holt gerne ihre Fotoalben, um Erinnerungen an das Borken ihrer Kindheit aufleben zu lassen. Foto: Schönherr