Kaum noch etwas erinnert an die beiden Molkerei-Standorte in Borken. Beide sind vollständig abgerissen und überbaut: die alte „Central-Molkerei“ an der früheren Gemener Straße und der Neubau an der Boumannstraße, der 1966 in Betrieb genommen und 1993 abgerissen wurde.
(Foto: Unsere Heimat im Luftbild, Heimatverein Borken 1996, S. 94.)
Links ist die Abzweigung der Bahnhofstraße zum alten Bahnhof – das Bahnhofsgebäude wurde 2013 abgerissen – und von links unten nach rechts oben verläuft die heutige Heidener Straße. Im Winkel steht das Molkereigebäude, wo sich heute das Amtsgericht befindet.
Die Borkener Zeitung berichtete am 27.9.1961 über die Planungen für einen Neubau der „Central-Molkerei“ an anderer Stelle.
Damals begannen konkrete Planungen, für die inzwischen zu kleine und wohl auch unzureichende Molkerei einen Neubau zu errichten, und zwar über dem alten Sportplatz an der Burloer Straße / Ecke Boumannstraße. Dort hatten schon vor dem Krieg zahllose junge Borkener Fußball gespielt und die Gymnasiasten bekamen dort ihren Sportunterricht, einschließlich Wanderung hin und wieder zurück zur Bocholter Straße (früher „Bocholter Chaussee“).
1964 stand das stählerne Gerüst, von der Borkener Zeitung poetisch als „kahles Stahlgerippe“ bezeichnet:
(Borkener Zeitung, 15.12.1964)
So kündigte die Centralmolkerei Borken die Wiederöffnung des Betriebs an der Boumannstraße am 29.7.1966 in der Borkener Zeitung an:
Und so sah der moderne Neubau (oben im Bild) nach seiner Fertigstellung im Sommer 1966 aus:
(Foto: Unsere Heimat im Luftbild, Heimatverein Borken 1996, S. 79.)
30 Jahre später, im Frühjahr 1993, wurde der gesamte Komplex „ausgeschlachtet“ und abgerissen, wie die Borkener Zeitung am 3. März 1993 berichtete:
„Mr. Softy“ an Boumannstraße ausgeschlachtet
Zur Geschichte
Am Jahresende 1896 entstanden Pläne, auch in Borken eine Molkerei-Genossenschaft zu gründen. Das Borkener Wochenblatt gab der Idee am 10. April 1897 die nebenstehende satirische Randbemerkung mit auf den Weg: „Die Kirchspielsbewohner wollen im Verein mit den Landwirthen benachbarter Gemeinden hier eine große Centralmolkerei errichten. Die Pläne liegen dem Vernehmen nach schon fertig. Dann werden auch wir nächstens hier in Borken wohl in Milch schwimmen können. Wie nämlich jüngst in den Zeitungen berichtet wurde, werden jetzt in großen Städten Milchbäder eingerichtet. Dieselben sollen einen feinen Teint geben, und werden daher von den Damen fleißig benutzt. Das Vergnügen ist nur noch etwas kostbar.“
Trotz allen Spotts: Am 13. Oktober 1898 konnte die neue Molkerei an der heutigen Heidener Straße (jetziges Amtsgericht) feierlich eingeweiht werden. Der Redakteur des Borkener Wochenblatts berichtete am 19. Oktober sehr ausführlich und mit spürbarer Begeisterung über ein „seltenes, ein außerordentlich schönes Fest“. Nach dem feierlichen Gottesdienst und der Grundsteinlegung unter maßgeblicher Mitwirkung von Dechant Erpenbeck folgte ein Festmahl, bei dem sich wiederum der Dechant sehr ausführlich über das Wunder der technischen Entwicklung „verbreitete“.
Rund 60 Jahre lang waren seit 1905 Vater und Sohn Rogge Betriebsleiter der Borkener Central-Molkerei: 1905 wechselte Eberhard Rudolf Rogge (1870-1930, s. nebenstehendes Porträt aus der Familienchronik v. Ferd. Rogge) von Lüdinghausen nach Borken.
Der älteste Sohn Eberhard Rogge (1902-1984) übernahm nach dem Tod des Vaters die Leitung der Molkerei Borken mit angeschlossener Verteilerstelle in Gladbeck. Er vollzog später auch die Fusion mit dem Milchhof Niederrhein in Duisburg. Eberhard Rogge war von 1958 bis 1971 Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Milchwirtschaftler. Das verbreitete „Molkerei-Sterben“ hat allerdings auch Eberhard Rogge nicht aufgehalten.
So warben die heimischen Molkereien 1960 in der Borkener Zeitung für ihre Produkte.
1951 veröffentlichte Eberhard Rogge im Heimat-Kalender des Landkreises Borken eine Darstellung des aktuellen Milchmarktes: „Von der Milch- und Molkereiwirtschaft“ (S. 85-86).
1966, ein Jahr vor seinem 65. Geburtstag und Eintritt in den Ruhestand, gab es viel Ärger in der Molkerei wegen Gerüchten über angebliche Unterschlagungen. Die Generalversammlung der Anteilseigner verweigerte damals Aufsichtsrat, Vorstand und dem Geschäftsführer Eberhard Rogge insgesamt die Entlastung, ein Prüfausschuss wurde eingesetzt.
Zum 65. Geburtstag gratulierte auch Dr. Wewers vom Zentralverband Deutscher Molkereifachleute und Milchwirtschaftler: „Der nunmehr fertiggestellte Neubau der Molkerei Borken ist nach Ansicht der Fachwelt die Krönung seines Schaffens im Dienste der Molkereiwirtschaft. Die Zukunft wird zeigen, daß dieses in weitsichtiger Vorausschau auf die kommenden veränderten Aufgaben des Marktes zugeschnittene, unter vielen Schwierigkeiten erstellte Werk allen Mitgliedern der Molkereigenossenschaft Borken zum Nutzen sein wird.“ (Borkener Zeitung, 18.2.1967, Ausschnitt).
Heute erinnert nur noch das „Borkener Butterfass“ am Rande des Wilger-Parkplatzes Boumannstraße an die zuvor an gleicher Stelle erbaute (neue) Zentralmolkerei.