Bis vor einigen Jahren war Borken ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. So kreuzten sich im „Staatsbahnhof“ Bahnhof Borken (Westf.) die „Hollandlinie“ Gelsenkirchen-Bismarck – Winterswijk und die „Baumbergebahn“ Empel-Rees – Coesfeld – Münster, die im Abschnitt Empel-Rees – Coesfeld auch „Heideexpress“ genannt wurde. Hinzu kam die „Nordbahn“ der Westfälischen Landeseisenbahn (WLE) von Borken nach Burgsteinfurt mit einem eigenen Bahnhof Borken (WLE). Borken (Westf.) war nicht nur ein Umsteigebahnhof für den Personenverkehr, sondern auch ein wichtiger Rangierbahnhof, auf dem Güterzüge um- bzw. neugebildet wurden.
Hollandlinie
Mit dem Aufblühen der Textilindustrie beiderseits der Grenze im 19. Jahrhundert stieg der Bedarf an Kohle aus dem Ruhrgebiet. So ging die erste Initiative zum Bahnbau von holländischer Seite aus (Unternehmer Willink und Snellen). 1873 wurde eine vorläufige Genehmigung der Strecke Ruhrgebiet – Borken – Winterswijk erteilt. 1877 erfolgten die endgültige Genehmigung und der Baubeginn. Ein Argument für den Streckenbau war der günstige Transport von Kohle, Holz und landwirtschaftlichen Produkten.
Der Bahnhof Borken sollte nach ersten Planungen in Gemen auf dem Gebiet nördlich des „Fünderken“ (Grenzbach) zwischen der Ahauser Straße und dem Beckenberg gebaut werden. Die Stadt Borken bevorzugte einen Standort westlich der Stadt. Der jetzige Standort war ein durch den Landrat Buchholtz bewirkter Kompromiss, nachdem sich die Stadt finanziell an den Kosten beteiligt hatte. Der Bahnhof trug zunächst den Namen Borken-Gemen. 1883 erfolgte die Umbenennung in Borken (Westf.)
Nach dreijähriger Bauzeit fand am 14.06.1880 die Eröffnungsfeier statt. Der planmäßige Reisezugverkehr von Essen nach Amsterdam und zurück begann mit drei Zugpaaren am 21.06.1880. Daneben verkehrten zwei Güterzugpaare zwischen dem Ruhrgebiet und Holland. Die Strecke Ruhrgebiet – Holland diente vor allem überregionalen Zwecken, der Grenzraum war hierdurch noch nicht erschlossen. Das geschah erst durch die Eröffnung der von Westen nach Osten führenden Strecke Empel-Rees – Münster und der Nordbahn (WLE). Damit wurde der Bahnhof Borken von einem Durchgangsbahnhof zu einem Umsteigebahnhof (Kreuzungsbahnhof).
Bahnhofsgebäude um 1900
(Alte Postkarten und Fotografien, Rehms-Druck)
Baumbergebahn
1902 war die Strecke Empel-Rees – Bocholt – Borken fertiggestellt. 1904 folgte die Freigabe des Abschnitts Borken – Coesfeld. 1907 gab es eine durchgehende Verbindung von der Strecke Oberhausen – Emmerich zur Bezirkshauptstadt Münster.
Die Inbetriebnahme des „Heideexpress“ hatte den Umbau des Bahnhofs Borken (Westf.) zur Folge. Die Gleise wurden bis auf 800 m verlängert, das Bahnhofsgebäude umgebaut und durch weitere Funktionsbauten für Bahn und Zoll erweitert.
Der 1905 fertiggestellte erweiterte Bahnhof mit drei Bahnsteigen und einer Unterführung zu den Bahnsteigen, die später verlängert wurde, um den umsteigenden Reisenden der Nordbahn einen direkten Zugang zur Staatsbahn zu ermöglichen, blieb bis zum Rückbau im Wesentlichen erhalten.
Die Nordbahn der Westfälischen Landeseisenbahn (WLE)
Am 1. Oktober 1902 wurde der Betrieb auf der Strecke Borken (WLE) – Burgsteinfurt mit vier Zügen aufgenommen. In der ersten Zeit zeigte die Bevölkerung besonders an Sonn- und Feiertagen ein lebhaftes Interesse an dem neuen Verkehrsmittel. Ebenso gab es einen umfangreichen Güterverkehr (Stückgüter und Massengüter wie Kunstdünger und Brennstoffe). Die Begeisterung der Anfangszeit ließ jedoch bald nach. Die Nordbahn hatte parallel zu den Gleisanlagen der Staatsbahn einen eigenen Bahnhof Borken (WLE).
Bahnhofsgebäude ab 1905
(Paul-Kranz-Archiv, Heimatverein Borken)
Bahnhofsgebäude Borken (WLE)
(Bohn,Terhalle: Die Geschichte der westfälischen Nordbahn)
Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit
Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs nahmen der Personen- und Güterverkehr im Staatsbahnhof ständig zu. Diese Entwicklung brach mit Beginn des Ersten Weltkriegs am 1. August 1914 jäh ab. So wurde der grenzüberschreitende Personenverkehr sofort eingestellt. Ebenso verringerte sich die Zahl der Reisezüge auf allen Strecken. Erst 1919 nach Kriegsende erfolgte die Wiederaufnahme der Zugfahrten über Burlo hinaus bis Winterswijk. 1935 wurde die durchgehende Verbindung Wanne-Eickel – Winterswijk aufgegeben. Reisende von und nach Winterswijk mussten in Borken umsteigen. Anfang der 30er Jahre wurde der Personen- und Güterverkehr wieder auf Vorkriegsniveau durchgeführt.
Eisenbahnkatastrophe 1938
Am 26. September 1938 gegen 19:30 Uhr ereignete sich in Borken ein Eisenbahnunglück, das in dieser Größenordnung einmalig geblieben ist. Ein aus Richtung Wanne-Eickel mit etwa 80 km/h einfahrender Personenzug und eine Rangierlokomotive stießen im Bereich des am Dülmener Weg gelegenen Stellwerks zusammen. Das Unglück forderte 18 Todesopfer und viele Verletzte.
Bahnhof Borken um 1930 (Paul Kranz-Archiv, Heimatverein Borken)
(Stadtarchiv Borken)
Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit
Durch systematische Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg wurden das Stadt- und Bahnhofsgebiet in Borken erheblich in Mitleidenschaft gezogen.
Am 13. März 1945 erfolgte die Zerstörung des Bahnhofsgebäudes und der Umgebung, nicht zuletzt weil die Eisenbahnlinie Borken – Winterswijk eine Nachschub- und Versorgungslinie der Front war. Die Bahnhofsgebäude der Deutschen Reichsbahn und der Westfälischen Landeseisenbahn (WLE) wurden so sehr zerstört, dass Behelfsgebäude errichtet werden mussten. Bei der WLE diente das Behelfshaus bis zur Auflösung des Bahnhofs 1958 dem Fahrkartenverkauf und der Stückgutabfertigung. Die Baracke des Staatsbahnhofs beherbergte bis zur Errichtung eines neuen Bahnhofsgebäudes die Fahrkartenausgabe, den Warteraum und die Bahnhofsgaststätte.
1945 ruhte der Zugverkehr für einige Monate. 1946 gab es bedingt durch den Kohlemangel und die Zerstörung der Gleise und Brücken über die Lippe und den Kanal in Dorsten einen eingeschränkten Zugverkehr. 1948 gab es wieder eine durchgehende Verbindung Wanne-Eickel – Borken bzw. Burlo. Der Personenverkehr nach Holland wurde nicht wieder aufgenommen. Auch auf den anderen Strecken kam es nach dem Krieg zu erheblichen Einschränkungen.
Bald nach Kriegsende kam der Gedanke auf, die Grafschaft Bentheim und das westmünsterländische Grenzgebiet mit einer durchgehenden Eisenbahnverbindung dichter an die Ballungszentren an Rhein und Ruhr heranzuführen, um die wirtschaftliche Struktur des Raumes und den Urlaubs- und Ausflugsverkehr zu fördern So wurde mit dem Sommerfahrplan 1951 der „Grenzlandexpress“ (auch „Bentheimer“ genannt) in den Fahrplan aufgenommen. Die Verbindung wurde so gut angenommen, dass 1963 ein weiteres Triebwagenpaar eingesetzt wurde. Diese Zugverbindung gab es bis 1975.
(Paul-Kranz-Archiv, Heimatverein Borken)
Neubau des Bahnhofsgebäudes Borken (Westf.)
Das Provisorium der Nachkriegszeit hatte am 05. September 1952 ein Ende. Nach 15-monatiger Bauzeit wurde das Empfangsgebäude des Bahnhofs Borken (Westf.) in Betrieb genommen. Die Bahnhofsgaststätte und der Wartesaal kamen ein Jahr später. In der Empfangshalle war ein Raum für die Personenzollabfertigung vorgesehen, falls der Reisezugverkehr nach Holland wieder aufgenommen werden sollte. Hierin befand sich ein Kiosk.
Rückgang des Personen- und Güterverkehrs
Bis in die 50-er Jahre nahm der Personen- und Güterverkehr wieder zu. Dann aber wirkten sich das Ansteigen des Individualverkehrs und der vermehrte Einsatz von Bussen sowie die Abwanderung des Güterverkehrs auf die Straße stark auf die Beförderungsleistung der Bahnhöfe aus.
So nahm der Güterverkehr von 1962 bis 1969 um 50 % ab. Die Zahl der verkauften Fahrkarten ging von 1950 bis 1968 um ein Drittel zurück. Die Folge war die Einstellung des Güterverkehrs nach Bocholt im Jahr 1981 und nach Ramsdorf im Jahre 1983. Der letzte Güterzug nach Winterswijk fuhr im September 1979, die Bahnhöfe der WLE wurden noch bis 1988 durch die Bundesbahn bedient, nachdem der Bahnhof Borken WLE 1962 bereits abgerissen wurde.
Der Personenverkehr auf der WLE wurde bis auf den Grenzlandexpress im Jahr 1962, auf der Strecke Bocholt – Coesfeld 1974 und nach Burlo bereits 1960 eingestellt.
Die Folge war der Streckenabbau Richtung Burlo, Stadtlohn, Bocholt und Coesfeld, wobei es noch ein Verbindungsgleis zur Kaserne bis zu ihrer Schließung 2007 gab.
Im Jahre 1999 wurde das Stellwerk an der Ahauser Straße abgerissen, während die daneben befindliche Unterführung bereits 1975 verfüllt worden war.
Wegen der gestiegenen Zahl der den Bahnhof anfahrenden Busse erfolgte 1989 die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Empfangshalle des Bahnhofsgebäudes.
(Paul-Kranz-Archiv, Heimatverein Borken)
Bahnhofsvorplatz nach dem Umbau 1989 (Ingo Bergsdorf)
Abriss des Bahnhofsgebäudes und Neugestaltung des Busbahnhofs
2012 wurde im Rahmen einer Modernisierungsoffensive der Bahnsteig des Bahnhofs etwa 150 m in Richtung Bahnhofsmitte verlegt. Es entstand eine neue Bahnsteiganlage mit einer Länge von 120 m, einer Höhe von 76 cm und einer Breite von 2,70 – 3,00 m, die aber bei starkem Reiseverkehr etwas eng ist. Bei der neuen Anlage ist ein höhengleicher Einstieg in die Fahrzeuge möglich. Über eine Rampe ist der Bahnsteig auch stufenfrei erreichbar. In der Wartezone sind Wetterschutzhäuschen errichtet worden.
Die Bahnsteigverlegung war erforderlich, da der Omnibusbahnhof umgestaltet sowie die Bahnhofstraße ausgebaut und bis zum Ramsdorfer Postweg verlängert wurde. Wegen des Gebäudes der Arbeitsagentur wurde der neue Busbahnhof durch die verlängerte Bahnhofstraße geteilt. In Bahnsteignähe halten die Busse mit Umsteigern zur Bahn. Der zweite Teil ist für den Schülerverkehr und sonstige Busse vorgesehen. Weiter sind Kurzzeitparkplätze (K+R), Langzeitparkplätze (P+R) und Fahrradabstellmöglichkeiten (B+R) sowie ein Servicegebäude (Kiosk, Fahrkartenschalter und Toiletten) errichtet worden.
Im Rahmen dieser Maßnahme wurde das Bahnhofsgebäude abgerissen. Es gibt nur noch einen Bahnsteig für die Züge von und nach Essen. Die drei noch vorhandenen Gleise enden vor der verlängerten Bahnhofstraße.
Vom ehemaligen Eisenbahnknotenpunkt Borken ist nur ein Endbahnhof mit Übergang zu den Bussen geblieben.
Quelle: Ergänzter Auszug des vom Heimatverein Borken herausgegebenen Heftes: Geschichte der Eisenbahnen in Borken (Westf.) 1880 – 2013
Ingo Bergsdorf, Heimatverein Borken e.V.
Neuer Bahnsteig ab 2012 (Ingo Bergsdorf)
Bahnhof Borken 2014 (Ingo Bergsdorf)