„Mit Gott für König und Vaterland“
Rückblicke auf die Napoleonische Zeit im Münsterland
Rückblicke auf die Napoleonische Zeit im Münsterland
Am 30. Oktober 2019 hielt Dr. Dirk Ziesing einen Vortrag in der Reihe „Geschichte ist mehr“. Sein Thema: „Borken und die Schlacht bei Waterloo 1815“.
Der Vortrag begann mit einem historischen Überblick über wichtige Ereignisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
1802: Zunächst mischte sich das napoleonische Frankreich nur indirekt in die münsterländischen Verhältnisse ein, vor allem durch die Annexion linksrheinischer Fürstentümer. Die betroffenen Häuser Salm-Salm und Salm-Kyrburg wurden im Westen des ehemaligen Fürstbistums Münster „entschädigt“. Die neuen Herren wählten zunächst Borken als Hauptstadt ihrer „gemeinschaftlichen Regierung“, gingen nach wenigen Monaten aber nach Bocholt. Ihre Residenzen waren in Anholt und Ahaus.
1811: Napoleon kassierte das gesamte Nordwestdeutschland und verleibte es seinem Kaiserreich ein. So wurden die Westmünsterländer Franzosen.
1812: Napoleon zog gegen Russland, scheiterte aber und bekam den Widerstand der Preußen und Engländer zu spüren.
1813: Am Ende des Jahres standen Landwehr-Bataillone in Meppen, Borken, Coesfeld und Steinfurt.
1815: Die Schlacht von Belle-Alliance oder flämisch „Waterloo“ beendete die Herrschaft Napoleons – unter Beteiligung auch des Münsterländer Landwehr-Regiments.
In diesen Rahmen stellte der Referent seinen Vortrag über die Beteiligung der westfälischen „Landwehren“ (eine frühe Form der Volksheere in Deutschland bzw. Preußen). Die Wehrpflicht führte zur Einberufung vieler junger Bauern. Dem Kriegsdienst entzogen sich übrigens viele junge Leute durch die Flucht ins Ausland oder sie desertierten.
Im zweiten Teil seines Vortrags ging Dr. Ziesing auf die hiesigen Landwehrleute ein, von denen er einige aus dem Umkreis Borkens kurz vorstellte. Zwei Beispiele für Freiwillige aus dem gemeinen Volk verdeutlichten, dass die sozialen Bedingungen stärker waren als die zugesagten wirtschaftlichen Vergünstigungen für Freiwillige: Johann Bernard Nubbenholt (1792-1832), war 1813-1815 freiwilliger Landwehrmann, dann Weber in Borken; Johann Henrich Franz Anton Icking (1779-1847) war 1813-1815 freiwilliger Landwehrmann, dann Tagelöhner in Borken und ging später nach Anholt.
Prominente Beispiele lieferten Freiwillige aus der – teils späteren – Borkener Oberschicht, die die Befreiungskriege überlebten:
Franz Xaver (von) Duesberg (1793-1872), Bürgermeister 1801/02 und 1805/06, 1840 geadelt, 1846-1848 preußischer Finanzminister;
Ferdinand von Hamelberg, geb. 1784 in Minden, aufgewachsen auf Gut Heidefeld in Spork, seit 1848 Landrat in Borken, gest. 1870 in Bocholt;
Johann L. Maximilian Rotering (1784-1872) und dessen Bruder Dr. jur. Ferdinand Anton Bernard Rotering (1777-1835), Bürgermeister 1812-1819 und Notar.
Johann Wilhelm Adrian Lück (1792-1875), Vater: Johann Bernard Lück, Gastwirt und Bürgermeister (1808-10 und 1811/12); 1811 Studium der Medizin in Münster; 1813-1815 Kompanie-Chirurg bei der Landwehr; 1819 Promotion, später Arzt in Borken;
Joseph Leonhard Maria Conrads (1795-1850), Bürgermeister in Ramsdorf und Velen, seit 1819 Bürgermeister in Borken;
Everhard Franz Anton Heitmann (1784-1858), 1819 Richter am Land- und Stadtgericht in Borken, 1831 Gerichtsdirektor.
Militärdienst war für sie „freiwillig“, aber es war eine Ehrenpflicht, Deutschland – oder wenigstens Preußen – gegen Feinde von außen zu verteidigen.
An zwei weiteren Beispielen zeigte Dr. Ziesing, wie robuste Charaktere ihren Vorteil zu nutzen verstanden:
Bernhard Friedrich Joseph Ortwin Rave (1793-1866) – Sohn des Dr. med. Alexander Rave – und Franz Joseph Goswin Xaver von Krane (1780-1820) veruntreuten Regimentsgelder. Rave wurde 1816 unehrenhaft aus der Truppe entlassen, trotzdem bereits 1820 Bürgermeister in Vreden und erhielt 1836 den preußischen Roten Adler-(Verdienst-)Orden 4. Klasse. Von Krane wurde bereits 1819 Major und Kommandeur in Borken beim 13. Landwehr-Regiment.
Zwei Uniformmützen veranschaulichten die Mischung aus praktischem Nutzen und symbolischer Gestaltung, etwa das grüne Band für das Münsterländer Regiment. Das zweite Mitbringsel war ein Vorderlader von rund 1,50 Meter Länge und 4 kg Gewicht.
Zum Abschluss des aufschlussreichen Berichts aus einer anderen Welt machte der Referent deutlich, dass Kriegsdienst für die Landwehren Dienst am Vaterland war, wie es ihr Wahlspruch aussagt: „Mit Gott für König und Vaterland“. Deshalb seien die wenigen erhaltenen Gedenktafeln mit den Namen der in den Befreiungskriegen Gefallenen auch heute noch wichtig.
Viele Fragen aus dem Publikum zeigten, dass hier ein nicht nur zahlreiches, sondern auch sehr interessiertes Publikum versammelt war. (BF)
Mit vielen Bildern veranschaulichte Dr. Ziesing seine Darstellung über das 4. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiment und ihre Bezüge zu Borken. (Foto: Th. Hacker)
Ein historischer Vorderlader illustrierte auch die körperlichen Anforderungen an die Soldaten. Selbst die Schneidezähne waren wichtig – zum Öffnen des Pulversäckchens … (Foto: Th. Hacker)
Eine solche Soldatenmütze zeigte an, dass sein Träger zum Münsterländer Landwehr-Infanterie-Regiment gehörte. Auf dem keineswegs „eisernen“ Kreuz steht: „Mit Gott für König und Vaterland“. (Foto: Th. Hacker)