Rudolf Koormann über die Geschichte des Gebäudes
BORKEN (ska). Im Zuge der Bauarbeiten sind vor dem Portal der Remigiuskirche die Fundamente von Borkens erstem Rathaus freigelegt worden (die BZ berichtete). Der Borkener Rudolf Koormann hat sich eingehend mit der Geschichte des Gebäudes beschäftigt. Als Gastbeitrag veröffentlichen wir Teile seiner Publikation.
„Mit der Verleihung der Stadtrechte (spätestens) im Jahr 1226 erhielt Borken unter anderem das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung. deren äußeres Zeichen gut 150 Jahre später ein Rathaus wurde. Wie allgemein üblich, errichtete man es am Marktplatz.
Das älteste Zeugnis für die Existenz dieses Rathauses stammt aus dem Jahr 1384. Es galt einem schlichten Fachwerkbau, der als südlicher Anbau zur Kapuzinergasse hin erhalten blieb, nachdem vermutlich schon vor 1484 – ein repräsentativeres Gebäude, das „historische Rathaus“, entstand. An dessen nördlicher Giebelseite errichtete man das städtische Weinhaus, gleichsam als architektonisches Gegenstück zum älteren Rathaus an der Südseite. Die drei Gebäude bildeten einen zusammenhängenden Riegel, der den Marktplatz von Kirche und umliegendem Friedhof trennte. Ob die Trennung und die damit verbundene Zuwendung der Rathaus-Rückseite zur Kirche hin Zufall war oder bewusst geschah – sei es, um das profane Treiben auf dem Marktplatz von der Ruhe des Friedhofs und des Kirchenraumes zu trennen oder ein kommunales Selbstbewusstsein gegenüber der Kirche auszudrücken – ist nicht überliefert.
Der Riegel hatte bis zum Abriss der südlichen und nördlichen Anbauten (erstes Rathaus 1816/17, Weinhaus 1903) eine beachtliche Ausdehnung, selbst noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als das „historische Rathaus“ nach Süden hin um eine fünfte Achse erweitert wurde. Zu den Häusern im Norden hatte der Abstand lediglich Straßenbreite, wie ein altes Foto belegt, und im Süden war nach der Chronik des Rektors Johann Starting lange Zeit nur ein Fußweg zum Kirchhof hin offen.
Der zweigeschossige Backsteinbau mit Treppengiebeln, dessen vier Arkadenbögen sich zum damaligen Marktplatz hin öffneten, war Mittelpunkt des städtischen Lebens.
Nach der Schaffung des Landkreises Borken (1816) erwies sich das Gebäude als zu klein, als es Verwaltungssitz des Landrats und in der Folgezeit auch Sitz des Königlichen Stadt- und Landgerichts (1824) sowie des Kreisgerichts (1849) wurde. Rathaus im eigentlichen Sinne war es dann nicht mehr, da die Stadtverwaltung in andere Räumlichkeiten umzog. Umfangreiche Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen (1850) verliehen dem ursprünglich gotischen Gebäude ein klassizistisches Aussehen.
Nach der Fertigstellung eines eigenen Amtsgerichts ( 1902) stand das Rathaus leer. Ergebnislose Diskussionen über seine weitere Verwendung führten im Juli 1910 über Nacht zur mutwilligen Zerstörung (siehe „Zum Thema“), so dass am Ende nur die völlige Einebnung und eine Neugestaltung des frei gewordenen Platzes übrigblieb, zu der man sich nach erneut endlos erscheinenden Diskussionen entschlossen hatte.“
► Rudolf Koormann plant die Veröffentlichung der Geschichte des alten Borkener Rathauses. Ein genauer Zeitpunkt steht noch nicht fest.
Zum Thema: Der Fall des Rathauses
Borken war mal ein recht aufmüpfiges Pflaster. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juli brachte eine Gruppe Borkener sogar das historische Rathaus zu Fall. Im Schutz der Dunkelheit pirschten sie sich mit Winden und Hebebäumen an das Gebäude heran. Die Stadt schlief, als die Aufsässigen Ketten und Taue um die fünf Säulen des Gebäudes wickelten. Dann legten sie sich ins Zeug. Das marode Haus hatte der rohen Gewalt nicht viel entgegenzusetzen. Mit lautem Krach stürzte das Rathaus ein. Die Rebellen hatten ihr Ziel erreicht und machten sich unerkannt aus dem Staub. Das Ereignis ging als Borkener Rathaussturz in die Geschichtsbücher ein und bildete den aufsehenerregenden Schlusspunkt unter einer jahrelangen Diskussion über die Zukunft des alten Gebäudes.
Borkener Zeitung, 04. Juli 2015
So sah das historische Rathaus um 1900 aus. 1910 ist es abgerissen worden. Foto: Sammlung Ewald Grewing
Heute sind nur noch Mauerreste übrig. Der Borkener Rudolf Koormann (rechts) und LWL-Grabungstechniker Thomas Pogarell verglichen am Donnerstag alte Aufzeichnungen mit den breiten Fundamenten im Boden. Foto: Kauffelt