Von Markus Schönherr
BORKEN. Da trauen sich zwei, einander das Jawort zu geben, und dann das: Der Bürgermeister zweifelt die Identität der Brautleute an. Der Mann behauptet, er stamme aus Borkenwirthe. Die Frau kommt angeblich aus Burlo. In den Büchern des Bürgermeisters tauchen die beiden Heiratswilligen aber nicht auf. Aus Sicht der Behörde existieren Braut und Bräutigam gar nicht.
Rudolf Koormann vom Borkener Heimatverein ist auf die abenteuerliche Hochzeitsgeschichte von Johann Gerhard Boes und Anna Katharina Elisabeth Pollmann gestoßen. Seit einem Jahr recherchiert Koormann über die Zeit, in der Borken zu Napoleons Kaiserreich gehörte. Viele Geschichten über ganz persönliche Schicksale aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts trug Koormann zusammen. Dass das Brautpaar 1811 nicht wie geplant heiraten konnte, hängt auch mit dem Einfluss der Franzosen auf das „Departement de la Lippe“ zusammen, zu dem Borken gehörte. Die Franzosen waren es, die ein behördliches Geburten- und Sterberegister sowie die standesamtliche Trauung einführten. Bis dahin wurden die Bürger nur in Kirchenbüchern registriert. Und da war es üblich, nicht den offiziellen, sondern einen Rufnamen einzutragen. Kein Wunder also, dass der Bürgermeister die amtlichen Namen Johann Gerhard Boes und Anna Katharina Elisabeth Pollmann in seinen ziemlich neuen Büchern nicht finden konnte.
Die beiden Brautleute wollten sich von ihrem Hochzeitsplan aber nicht abbringen lassen und zogen vor Gericht. Stundenlang verhörte der Richter etliche Zeugen, die sich für die beiden verbürgten. Die Prozedur fand ein Happy End. Johann Gerhard Boes und Anna Katharina Elisabeth Pollmann durften heiraten.
Und das dürfte dem Bräutigam nicht nur aus Liebesgründen recht gewesen sein. Junggesellen wurden nämlich von Napoleon ins Militär eingezogen. Proppevoll war die Remigiuskirche, als junge Männer aus der ganzen Region zur sogenannten Konscription einbestellt wurden. Per Losverfahren wurde entschieden, wer Soldat wurde. „Das war ein großes Spektakel“, sagt Rudolf Koormann. Den Ausgewählten blühte bei Napoleons Russlandfeldzug aber ein ungewisses Schicksal. Nicht ohne Grund setzte damals ein wahrer Hochzeitsboom ein.
Diese und viele weitere Geschichten sowie Daten und Fakten über die Franzosenzeit in Borken präsentiert Rudolf Koormann am morgigen Mittwoch, 28. September, ab 19.30 Uhr im Borkener Stadtmuseum.
Borkener Zeitung, 5. September 2011
Napoleon hatte auch Einfluss auf das Westmünsterland. Rudolf Koormann recherchierte, welche Veränderungen die Borkener in der Franzosenzeit Anfang des 19. Jahrhunderts miterlebten.
(Foto: Schönherr)