Rund um die Stadtmauer

Rund um die Stadtmauer
„Alte Windmühle“ war ursprünglich der Name für die „Flur No. II“ in der Borkener Feldmark. Sie erstreckte sich außerhalb der Stadt zwischen Weseler Landstraße und Raesfelder Straße.
Hier stand, etwa im Bereich der Hawerkämpe, in der Tat eine Windmühle, die 1589 im Verlauf des Spanisch-Niederländischen Krieges unwiederbringlich zerstört wurde. Da aber für das Mahlen des anfallenden Korns die Wassermühle an der Ostseite der Stadt nicht ausreichte, rüstete man 1603 den Turm an der Westseite zu einer Windmühle um, deren Kappe samt Flügeln von einem ringsum verlaufenden „Balkon“ aus „in den Wind gedreht“ werden konnte; Everhard Alerding hat sie 1621 in seinem Kupferstich im Bild festgehalten. Die Löcher im Mauerwerk des Turmes, die einst die Balken des Balkons gehalten hatten, sind heute noch sichtbar. Am 19. Mai 1869 jedoch zerstörte ein Wirbelwind die Flügel derart stark, dass der Schaden nicht mehr behoben wurde. Vermutlich gab die nunmehr „alte Windmühle“ der vorbeiführenden Straße ihren Namen.
Das Bild der Straße, die am Vennetor begann und am Neutor endete, prägten neben dem alles überragenden (Windmühlen-)Turm noch nach dem Zweiten Weltkrieg das mächtige Kolpinghaus und mehrere Schmieden, von denen heute noch eine in Betrieb ist. Nicht von ungefähr trug eine abzweigende Nebenstraße den Namen „Schmiedegasse“.
Während das Kolpinghaus einem imposanten Neubau weichen musste, blieb das benachbarte Haus Rehms, zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Hotel und Restaurant gebaut, erhalten. Auch der Turm, inzwischen in Privatbesitz, steht noch an seinem angestammten Platz, durch Einziehen mehrere Betondecken aber entschieden sicherer als vorher.
Abb. 1: Am „Haus Rehms“, um 1800 vom zeitweiligen Bürgermeister Georg Schmitz erbaut und als Gasthaus betrieben, blieben Reste des einstigen Vennetores erhalten.
Der Blick auf dem Ende der 1930er Jahre entstandenen Bild geht weit in die Vennestraße hinein. Hinter dem „Haus Rehms“ begann die Straße „An der alten Windmühle“.
Abb. 2: Das Kolpinghaus in unmittelbarer Nachbarschaft zum „Haus Rehms“ wurde 1930 gebaut und war wie sein Vorgängerbau („Dat Büdeken“) Treffpunkt des „katholischen Gesellenvereins“, der sich später „Kolping“ nannte. Die Geschichte beider Häuser war über Jahrzehnte mit den Namen von Vater und Sohn Matthias Scholtholt („Matthis“) verbunden.
Abb. 5: Das Bild gewährt einen weiten Blick bis zum Haus van Aalten am Neutor Ende der Straße. Im Vordergrund rechts die Schmiede Wilming, die gegenüberliegende Reste der Stadtmauer als Abstellplatz u. a. für Wagenräder nutzte. (Bild: Sammlung E. Grewing)
Abb. 6: Ende der 190er Jahre war die Schmiede umgesiedelt in einen modernen Neubau, der im ehemaligen Stadtgraben errichtet wurde. Am Bildrand links die der Stadt zugewandte Giebelseite des Kolpinghauses. Das Kopfsteinpflaster war noch ein Relikt aus der Vorkriegszeit.
Abb. 7: Alex Wilming, von Haus aus Schmiedemeister, war mit Leib und Seele Mitglied des St.-Johanni-Bürger-Schützenvereins, viele Jahre auch als Oberst hoch zu Ross. 1958 krönte er die Mitgliedschaft mit dem Abschuss des Schützenvogels und der „Regentschaft“ als Schützenkönig. Elisabeth Bonhoff aus der Vennestraße stand ihm als Königin zur Seite.
Abb. 8: Dieses Inserat aus der Borkener Zeitung vom 31.05.1952 zeigt, dass Hermann Büsken schnell erkannt hatte, wie wichtig der neumodische „Fernsprecher“ (später neudeutsch als „Telefon“ bezeichnet) für das Geschäftsleben war.
.
.
Abb. 9: Eine lebendige Nachbarschaft pflegte bis zu den beschriebenen Veränderungen in besonderer Weise den Brauch der Maitremse, festgehalten in Fotos wie diesem von Hermann Büsken und einem Holzschnitt von Heinrich Evertz (1924-2011).
Abb. 10: Das Einrichtungshaus Scholtholt war 1976 der erste moderne Neubau, der im Rahmen der Altstadtsanierung entstand. (Bild: www.scholtholt.de)
Abb. 11: Zwischen den Gaststätten Fahrenbrink (links) und van Aalten (rechts) her geht der Blick in die entgegengesetzte Richtung. Als das Bild entstand, gab es das spätere Kolpinghaus noch nicht, wohl aber seinen kleinen Vorgängerbau, „dat Büdeken“. (Bild: Sammlung E. Grewing)
Hinter dem Haus Fahrenbrink nutzte die Kolonialwaren-Großhandlung H. Wülfing einen freien Platz zum Abstellen ihrer Planwagen, mit denen die nähere Umgebung mit Lebensmitteln beliefert wurde.
Die weißen Häuser in der rechten Bildhälfte waren die ältesten an der Straße, gebaut schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Was der Zweite Weltkrieg nicht zerstört hatte, verschwand im Zuge der Altstadtsanierung während der 1970er Jahre.
*
In den 1970er Jahren veränderte die Sanierung der südlichen Altstadt das Aussehen der Straße sehr deutlich. Während die der ehemaligen Mauer zugewandte Westseite – abgesehen von den letzten maroden Häusern aus dem 19. Jahrhundert – mehr oder weniger unbeschadet stehen blieb, verschwand die Ostseite vollkommen. Sie ging wie die Häuser an der Venne- und der Walienstraße auf im neu entstandenen „Vennehof“.
Rudolf Koormann (Februar 2025)
Abb. 3: Der Bildausschnitt entstammt dem Kupferstich von Everhard Alerding aus dem Jahr 1621. – Der 18 Meter hohe Turm hat bei einem Durchmesser von 6,20 m im unteren Bereich eine Wandstärke von von 1,60 m, die sich nach oben bis auf 60 cm verjüngt.
Die „Kappe“ mit den Mühlenflügeln kam im Jahr 1603 auf den Turm. Vom unten angebrachten „Balkon“ aus konnte der „Windmüller“, der die Mühle gepachtet hatte, die Stellung der Flügel verändern.
Nachdem die Flügel bereits 1809 durch einen Sturm beschädigt, aber wieder repariert worden waren, gab die Stadt als Eigentümerin von Turm und Mühle nach einem erneuten Sturmschaden im Jahr 1869 den Betrieb auf.
In seiner Ausgabe vom 22. Mai 1869 berichtete das Borken Wochenblatt über den Sturm und den entstandenen Schaden:
„Borken, 21. Mai. Am verflossenen Mittwoch Abend gegen 7 Uhr brauste über unsere Stadt ein von Westen kommender Wirbelwind, der nicht allein Dächern und Bäumen Schaden zufügte, sondern auch der hiesigen Windmühle einen schlimmen Streich spielte, indem durch die Heftigkeit des etwa 3 Minuten andauernden Sturmes die Flügel und die colossale Achse der Mühle herunterstürzten und theilweise mit gewaltiger Wucht auf die Scheune der Frau Witwe Schwenken geschleudert wurden, so dass das Dach total zertrümmert und die schweren Balken bis zur Erde durchschlugen. […] Zu beklagen ist der Anpächter der Windmühle, der Familienvater [ist] und eben erst von einem langwierigen Fußübel genesen war. Durch dies neue Unglück ist dem Manne abermals ein bedeutender Schaden zugefügt worden.“
In der Bevölkerung bestand laut Zeitung nach dem Unglück der „einstimmige Wunsch, die Windmühle nicht mehr aufzubauen, sondern „die alte Ruine“, gemeint war der Turm, zu restaurieren, wie das zuvor schon am Holkensturm durch den Kreisgerichtsrat Max Wenner geschehen war.